Unser heutiges Leben ist geprägt von Veränderungen. Agiles Management fordert uns auf, uns immer wieder in neue Bereiche einzuarbeiten und uns neue Aufgabenfelder anzueignen.
Die Digitalisierung verändert unser Leben fast täglich mit neuen Programmen und Möglichkeiten. Wie müssen dazulernen, uns anpassen, um nicht abgehängt zu werden.
Häufige Jobwechsel sind heute normal. Sei es, weil man selbst gekündigt hat um sich weiterentwickeln zu können oder weil man auf Grund von Krisen o.ä. gekündigt wurde.
Auch privat erleben wir häufig Veränderungen. Wohnortwechsel, Trennung, Familiengründung etc. All das stellt unser Leben erst einmal komplett auf den Kopf und erfordert von uns ein Höchstmaß an Anpassungsfähigkeit an die neuen Situationen.
Dabei sind wir eigentlich eher bestrebt, Konstanz zu schaffen. Unser Gehirn mag Veränderungen nicht, da für diese zusätzliche Energie benötigt wird. Und wir sind evolutionär eher darauf aus, Energie zu sparen. Wir lieben Routinen und ein Leben in der bequemen Komfortzone. Und dieser Wunsch trifft auf eine Welt, in der die einzige Konstante die Veränderung ist.
Es gibt zwei grundlegende Bereich, mit denen wir gezielt arbeiten können, um Veränderungen leichter zu meistern. Das eine ist, zu lernen, einfacher mit Veränderungen umzugehen. Das andere ist, Veränderungsbereitschaft bewusst zu trainieren. Für beide Bereich bieten uns Musiker eine gute Anleitung, die wir auch einfach in unser Leben übertragen können.
Einfacher mit Veränderungen umgehen
Schauen wir uns zunächst einmal an, was wir konkret tun können, wenn wir aktuell eine Veränderung in unserem Leben haben, die uns schwer fällt, um leichter mit dieser umzugehen.
Fokus auf das Ziel:
Je mehr unser Fokus auf unserem Ziel liegt, desto leichter fällt es uns, Veränderungen in unserem Leben umzusetzen. Es gibt den schönen Satz „where focus goes, energy flows“. Heißt wenn ich meinen Fokus auf die Veränderung richte, dann mache ich diese vielleicht sogar größer als sie ist. Dann habe ich das Gefühl, dass mein ganzes Leben durch diese nun auf den Kopf gestellt wird und es kostet mich unglaublich viel Energie, damit umzugehen. Wenn ich jedoch meinen Fokus auf mein Ziel richte, dann nehme ich die Veränderung als eine Stufe zur Zielerreichung wahr. Sie ist plötzlich nicht mehr so groß, sondern einfach nur ein Teil des Prozesses, durch den ich mein Ziel erreichen kann.Der Musiker hat bspw. als klares Ziel einen bestimmten Auftritt. Er wird also alles dafür tun, um bei diesem Auftritt sein Publikum von sich überzeugen zu können und so wird er alle Veränderungen bezüglich seiner Spielweise, der ausgewählten Stücke etc. fast schon gerne auf sich nehmen, da für ihn diese der Weg zu seinem großen Ziel sind. Durch Routinen zur Veränderung
Eine zweite Möglichkeit ist, sich klare Routinen zu schaffen, die einem Veränderungen erleichtern. Nehmen wir wieder den Musiker als Beispiel. Er hat sehr oft eine Veränderung durch die Stücke, die er einübt. Aber diese verändern nicht seine tägliche Routine, dass er jeden Tag von 16 Uhr bis 17 Uhr übt. Sie sind vielmehr ein Teil dieser Routine.
Übertragen auf unser Leben heißt das, sich äußere Routinen zu schaffen, die man gezielt für das implementieren von Veränderungen nutzen kann. Ich habe es mir beispielsweise zur Routine gemacht, Abläufe die mich kognitiv nicht allzusehr fordern, mit Weiterbildung zu verknüpfen. Das heißt für mich ist Bahnfahren oder kochen die Zeit, in der ich mir angewöhnt habe, dazuzulernen und so neues Wissen in mein Leben zu bringen. Dies kann über Bücher, Videos oder Podcast funktionieren. Wir leben in einer Welt, in der Wissen so frei verfügbar ist wie nie zuvor. Je eingespielter die äußere Routine ist, desto besser kann sie als Rahmen dienen für das einbauen einer Veränderung in unser Leben. Man kann z.B. die Zeit beim Zähneputzen nutzen, um sich zu bewegen – wenn man als Veränderung mehr Beweglichkeit in seinen Alltag bringen will. Heißt anstatt sich im Spiegel dabei zuzusehen, wie man mir der Zahnbürste im Mund herumfährt, kann man ein paar Kniebeugen machen oder Balanceübungen etc.
Chance in der Veränderung:
Als dritte Möglichkeit bietet sich an, die Chancen zu sehen, die in einer Veränderung liegen. Denn wenn wir unseren Fokus darauf lenken, was wir durch die Veränderung gewinnen können, unterstützt unser Gehirn automatisch den Veränderungsprozess. Es ist darauf ausgerichtet, unser Überleben zu sichern und wenn wir durch eine Veränderung dies besser können, dann haben wir unseren persönlichen Autopiloten, der in unserem Unterbewusstsein sitzt, plötzlich nicht mehr gegen uns, sondern er arbeitet mit uns daran, die Veränderung ganz in unserem Sinne umzusetzen. Je mehr positive Aspekte wir an einer Veränderung finden, desto mehr erhöhen wir die Schubkraft unserer Unterbewusstseins und desto mehr Energie wird bereitgestellt, damit wir die Veränderung schnellstmöglich und gut umsetzen können.
Veränderungen trainieren
Die zweite Möglichkeit ist, dass wir uns darauf trainieren, Veränderungen in unserem Leben umzusetzen. Wenn wir dies in alltäglichen Angelegenheiten tun, so fällt es uns ungemein leichter, Veränderungen, die (ungeplant) in unser Leben kommen, zu meistern. Denn dann ist für uns Veränderung tatsächlich eine Routine in unserem Leben.
Auch hier gibt es eine Möglichkeiten, wie wir täglich Veränderungen trainieren können Tägliche kleine VeränderungenDer einfachste Weg, um sich auf Veränderungen zu trainieren ist, täglich kleine Veränderungen in den Alltag einzubauen. Wobei mit einfach hier gemeint ist „leicht zu initiieren“ und nicht „leicht in der Umsetzung“. Unser Alltag ist in der Regel geprägt von routinierten Abläufen. Morgens wenn der Wecker klingelt schalten die meisten auf Autopilot und erledigen ihre Morgenroutine mit anziehen, frühstücken und alles für die Arbeit richten ohne groß darüber nachzudenken. Der Weg zur Arbeit läuft genauso routiniert ab wie der Nachhauseweg. Der ein oder andere hat vielleicht sogar einen Job mit einem hohen Routine-Anteil. Und genau in diesem Bereich können wir täglich unser Gehirn darauf trainieren, flexibler mit Veränderungen umzugehen. Der Psychologe Jens Corssen beschreibt es so schön mit „das zweite Mal am Tag aufzuwachen“. Durch kleine Änderungen in unserem alltäglichen Ablauf trainieren wir unser Gehirn darauf, sich flexibler auf Veränderungen anzupassen. Quasi ein täglicher kleiner Change-Prozess.
Was heißt das nun konkret? Nun, wenn man eine Kleinigkeit in seinem Alltag ändert – beispielsweise eine andere Strecke zur Arbeit fährt oder den morgendlichen Ablauf leicht verändert (und sei es nur, dass man die Reihenfolge in der Anziehprozedur abändert), so wird dies in unserem Gehirn als Veränderung registriert. Dadurch wachen wir erst einmal wirklich auf – denn obwohl sich das nun erst einmal sehr leicht anhört, wird jeder, der es ausprobiert merken, wie schwer es tatsächlich in der Umsetzung ist. Der langfristige Effekt ist jedoch, dass unser Gehirn dadurch lernt, dass Veränderungen nichts gefährliches sind und eine gewisse Routine entwickelt, flexibel auf andere Abläufe einzugehen. Je öfter man im Kleinen Veränderungen trainiert, desto leichter und gelassener wird man dann auf große Veränderungen reagieren können. Ähnlich wie Musiker mit jedem Stück ihre Spielkenntnisse und Fähigkeiten erweitern und sich darauf trainieren, schnell auf neue Anforderungen reagieren zu können, so können wir uns im Alltag durch tägliche kleine Routinedurchbrechungen für große Veränderungen rüsten.
Sofortmaßnahme
Was aber kann man tun, wenn man plötzlich in einer Situation steckt, die von einem große Veränderungen verlangt? Was wenn dieser Moment kommt, bevor man sich auf Veränderungen trainiert hat? Dann gilt:Rhythmus geht vor Tempo Wenn Musiker ein Stück spielen, das eigentlich noch zu schwer für ihre aktuellen Fähigkeiten ist, dann nehmen sie das Tempo raus. Sie üben das Stück langsam. Und wenn es dann geht, erhöhen sie Stück für Stück das Tempo. Bis sie auf dem eigentlichen Tempo das Stück sicher spielen können.
Das gilt auch für unser Leben. Wenn eine Veränderung kommt, sollten wir das Tempo rausnehmen und alles langsamer, aber dafür sicher angehen. Man kennt das von einem neuen Computerprogramm. Die ersten Male braucht man ewig, muss ständig in den Notizen nachschauen und suchen, wo welche Funktion nun ist. Nach einiger Zeit wird man routinierter und irgendwann bedient man es völlig sicher. Man benötigt etwa 55 bis 60 Wiederholungen, bis ein Ablauf zur Routine geworden ist. Und kein Mensch erwartet, dass wir gleich bei der ersten Durchführung das Tempo eines routinierten Profis haben – außer wir selbst.
Das heißt konkret, sich selbst gegenüber gnädig zu sein und sich die Zeit lassen, die man nun einmal benötigt, um sich auf eine neue Situation, eine neue Arbeit, ein neues Umfeld oder was auch immer sich verändert hat, einzustellen. Rhythmus geht vor Tempo! Nur wenn wir in unserem eigenen Tempo sicher den Ablauf beherrschen, sollten wir das Tempo erhöhen. Dafür jedoch ist es essentiell, dass wir den Ablauf auch kennen. Und das wir wissen, was unser eigenes Tempo ist, in dem wir uns noch sicher fühlen. Das erfordert neben Demut auch Selbsterkenntnis. Und den Mut, zu sich zu stehen. Aber das sollte jeder von uns sich selbst wert sein!