Musikdoping

Ich weiß nicht, zu welcher Sorte Mensch Sie gehören. Ich für meinen Teil höre Musik in der Regel sehr bewusst. Zugegeben läuft auch bei mir manchmal einfach das Radio als Hintergrundberieselung. Aber das ist eher die Ausnahme und wenn dann in Situationen, in denen mein Kopf mit anderen Dingen beschäftigt ist – beim Kochen beispielsweise. Im Normalfall wähle ich meine Musik sehr bewusst aus. Warum sollte ich mir nicht auch das zu Nutze machen, was die Film- und Werbeindustrie seit ihrer Entstehung gezielt und gewinnbringend einsetzt?


Einfach ist für mich, wenn ich meine aktuelle Stimmung verstärken will. Dann habe ich oft schon Lieder im Kopf oder weiß gleich, welches Musikgenre das kann und die Auswahl der passenden Musik fällt leicht.

Bewusst eine andere Stimmung zu erzeugen, ist für mich manchmal hingegen schon eine Herausforderung, weil ich mich bewusst gegen die Lieder im Kopf entscheiden muss. Ich will ja in eine andere Stimmung kommen. Aber einen kurzen Moment innezuhalten und bewusst auszuwählen hat sich für mich immer gelohnt. Wann ich so etwas mache? Beispielsweise wenn der Tag nicht so gut lief, ich aber trotzdem eine positive Stimmung möchte – oder brauche. Oder ich hänge in den Seilen und brauche einen Energieschub, um weiterzumachen und nicht aufzugeben. Vor einem schwierigen Gespräch lade ich mich manchmal auch durch Musik mit einer gesunden Portion Aggression auf, um dieses in meinem Sinne dann gestalten zu können. Oder ich versetze mich in eine völlige Tiefenentspannung, weil ich einen Tag vor einem – oder noch schlimmer mehreren – Feiertag(en) festgestellt habe, dass ich noch dringend einkaufen gehen muss.


Konkret heißt das, wenn ich beispielsweise ins Auto steige, überlege ich mir kurz, welche Stimmung ich beim Aussteigen haben möchte. Dann scanne ich meine Musikauswahl, lege die passende Musik ein und am Ende der Fahrt habe ich in neun von zehn Fällen die passende Stimmung aufgesogen. Ich habe einige Jahre beim Jugendamt gearbeitet und bin an manchen Tagen von Hausbesuch zu Hausbesuch gefahren, um Gespräche mit verschiedenen Familien zu führen. Da habe ich manchmal wirklich zwischen jedem Gespräch das Musikgenre gewechselt, um mich auf das anstehende Gespräch einzustimmen und passenden auf die jeweilige Familie und Situation reagieren zu können.
Klar könnte ich das gleiche Ergebnis vermutlich auch über mantraartige Sinnsprüche oder innere Dialoge erreichen. Aber Musik ist für mich in diesem Fall eine sehr effektive Abkürzung. Musik ist das einzige Medium, das gleichzeitig alle Areale im Gehirn anspricht. Während Sprache beispielsweise nur in einer Gehirnhälfte verarbeitetet wird und es daher viel länger dauert, bis ein gesprochenes oder gedachtes Wort Einfluss auf die emotionale Stimmung hat, wirkt Musik direkt auf alle Bereiche des Gehirns und beeinflusst somit alles gleichzeitig und sehr effektiv und effizient. Musik ist entstanden aus Emotion und transportiert diese auch direkt weiter. Tolstoi sagte einmal, dass Musik die Stenographie des Gefühls sei. Dadurch wirkt sie auch stärker auf meine eigene Stimmung, als Worte das in der gleichen Zeit schaffen können. Emotion ist eben nichts kognitiv-rationelles. Warum also nicht einfach mal den einfachen Weg nehmen?
In gewisser Weise ist das meine Form des Dopings. Hoch effektiv und völlig legal!

Praxistipp zur eigenen Umsetzung:

Schnellversion: Überlege dir bewusst, welche Stimmung du bei dir erzeugen willst. Dann suche ein Lied oder eine Melodie, die diese Stimmung bei dir hervorruft. Lied an und wirken lassen!


Wenn du mal Zeit hast: Erstelle dir individuelle Play-Listen, die du nach den häufig benötigten Stimmungen benennst, beispielsweise „Freude“, „Tiefenentspannt“, „Energie“. Speichere diese dann so ab, dass du sie immer zur Hand hast, egal ob du im Auto, im Büro oder zu Hause bist.

Teile den Beitrag

1 thoughts on “Musikdoping”

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner